TEXTE
Daniel Diggelmann. Text von Annemarie Monteil
5. Februar 2017
Seit seiner Jugend ist Daniel Diggelmann unterwegs, seine Gedanken und seine Lebens-Erfahrungen in Bildern auszudrücken. Farbschichten stehen für Gefühle, zusehends gestrafft durch geometrische Ordnungen. In langen Arbeitsphasen – Kunst und Leben brauchen Geduld – führt er seine Bildsprache zu immer mehr Klarheit und Einfachheit. Die Linie, der reduzierteste bildnerische Ausdruck, bestimmt die neuen Werke. Bewegte Strichverläufe erzählen von Nähe und Distanz, Scheu und Zuneigung: Menschengeschichten.
Katalogtext zur Ausstellung in der Galerie Ursula Siegenthaler, Zürich und Galerie Hans-Jürgen Siegert, Basel. Text von Annemarie Monteil (Auszug).
23. November 1994
Nichts ist schwieriger als das Einfache. Oft braucht es komplizierte Entwicklungsstufen, um zu einer selbstverständlichen, eben einfachen Lösung zu gelangen. Daniel Diggelmann ist zu solchen Lösungen unterwegs. Komplexe Arbeits- und Lebensprozesse liegen seinen aus vielen Schichten entstehenden Bildern zugrunde.
Nach der Ausbildung an der Malschule von Beppe Assenza waren Natureindrücke wichtig. Himmel, Pflanzen, Meer wurden nicht „wörtlich“, sondern atmosphärisch eingefangen in helle oder erddunkle Töne, strukturiert von feinen Linien.
Diggelmann fühlte all dies als Durchgang. Er suchte nach dezidierteren Formen und Aussagen. Solche Wechsel, sagt er, „brauchen Mut“. Aber man könne nicht anders; „denn schlussendlich sind das alles innere Entwicklungsschritte“. Das bedeutet für die Arbeit, dass jede Phase eine Vorstufe zur nächsten ist.
Nach 1986 werden die Farbflächen dichter, der Pinselzug gestischer, die Töne beschränken sich oft auf Grün und Schwarz. Kaseintempera wird tastbar gemacht durch Beigaben von Quarzsand und Asphalt. Diggelmann kennt sich geradezu alchemistisch aus im Bereiten von Farben. Über die bald naturhaften, bald leicht geometrisierten Gründe schwingt sich die helle, aufgelockerte Linie eines Kreises oder Kreissegments. Das Einsetzen des Zirkels in einem genau gewählten Ort im Bildgeviert ist auch die Suche nach dem eigenen Mittelpunkt. In Diggelmanns Worten: „Der Punkt, in dem der Zirkel einsetzt, steht für das Ich.“ Das bedeutet nicht, malen sei hier ein Egotrip. Die Klärung der Befindlichkeit muss für Daniel Diggelmann mit dem Erschaffen des Bildaufbaus parallel gehen. Das Entscheidende ist das gestalterische Resultat. Und tatsächlich ist es der helle Zirkelschlag, der die schwere Farbmaterie des Bildgrunds in Schwingung versetzt.
Vom Kreis gelangte Diggelmann in tastenden Versuchen über Wellenformationen zur Senkrechten. Plötzlich konnten die Leinwände nicht gross genug sein. Helles Blau oder Gelb bedeckt die Fläche. In der Mitte oder leicht daraus gerückt, setzt Diggelmann jetzt sein vertikales Element, das dem aufrechten Gang entspricht. Es ruft einem zweiten, dritten, stets im Fluss von oben nach unten. Rhythmen werden in immer neuen Übermalungen erprobt, bis die Proportionen für Auge und Gefühl stimmen.
Gleichzeitig mit dem Einjustieren der Senkrechtformen führt der Maler seinen Dialog mit der Farbe. In zahllosen Schichten transparenter Töne kann sich Gelb zu Orange oder Grün wenden. Wenn Rot über die Bildbegrenzung hinauszufluten beginnt, muss es stabilisiert werden mit Schwarz. Einmal bricht eine weisse Vertikale die allzu dichte Struktur auf. Nachbarschaften sind wichtig. Die Komplementärfarben Blau und Orange suchen sich über ein Schwarz hinweg. In einer ganzen Serie ist Siena dominierend, eine deckende Pigmentfarbe, die ein Zurückfinden zur Erde bewirkt neben Lichtgelb oder hellstem Grün. Die handschriftlich gezogenen Linien zwischen den Balkenformen mit haarrissfeinen Farbeinsprengseln lassen tiefliegende Schichtungen erahnen.
Daniel Diggelmanns neue Bilder sind strenger, knapper geworden. Sie beruhen aber nicht auf vorgefassten konkreten Konzepten, sondern auf Ordnungen, die langsam und organisch aus gemeinsamem Farb- und Lebensgrund wachsen. Diggelmann sagt es so: „Ich gehe in Form und Farbe hinein“.
Artikel erschienen im Tages-Anzeiger/züritipp zur Ausstellung in der Galerie Commercio, Zürich von Fritz Billeter.
21. Oktober 1988
Die Form aus der Farbe
Die frühen Bilder von Daniel Diggelmann waren noch Abstraktionen; da war zum Beispiel meist etwas Landschaftliches drin. Die neuen Bilder stehen nun für sich selbst. Aber eines ist gleich geblieben: Die Farbe hat nach wie vor das Primat. Was heissen will: Bei Diggelmann ergibt sich die Form aus der Farbe – nicht umgekehrt. Doch hat er gegenüber früher beides, Farbe und Form, stark reduziert. Seine neuen Bilder scheinen einfach, aus ganz wenigen Elementen gestaltet. Dazu meint der Künstler: „Es ist gerade diese Einfachheit, die mir zu schaffen macht.“
Die Kraft des Kreises
Es sieht so aus; als habe er Grün neu und ganz für sich allein entdeckt. Dunkle, beruhigende, auch ein bisschen erdige Grünflächen bestimmen einige seiner Bilder. Von den Rändern her schieben sich andere, schwarze Flächen heran, runde oder aber abgewinkelte Formen.Durch dieses Grün, durch dieses Schwarz bahnt sich nun oft ein Kreisschlag seinen Weg: gelblich oder ausgespart, so dass die Kreislinie im Weiss der Grundierung hervortritt. „Die ungeheure Bewegung des Kreises steht gegen die Ruhe der schwarzen und grünen Farbflächen“, sagt Diggelmann. (Er redet von seinen Kreisen, als wären es lebendige Wesen.)
Artikel erschienen im Tages-Anzeiger/züritipp zur Ausstellung in der Galerie Commercio, Zürich von Fritz Billeter.
22. März 1986
Daniel Diggelmann hat Bilder in Ei-Tempera auf Baumwolle gemalt, manchmal unter Beimischung von Quarzsand. Diesen bringt er mit warmen, erdigen Farben zusammen, auf Bilder, bei denen eine Konzentration auf ganz wenige Formen erreicht: eine dunkle Öffnung, eine „Pyramide“ im Zentrum oder auf der Mittelachse der Gestaltungsfläche. Diese Bildergruppe legt Gemäuer, Behausung, Erdverbundenheit nahe. Andere Bilder deuten Horizonte an, Landschaftliches, Festländisches, das an „Himmel“ oder „Wasser“ stösst. Wieder andere Werke suggerieren südliche Nacht. Da schwimmen im Flächengefüge Fragmente von Mond und Gestirn. Beschworen werden Blautöne von herrlicher Tiefe; Rot kontrastiert mit Flaschengrün, dazwischen ein paar schwarze Akzente; weisse Linienspur und Schraffe legt sich leicht und verschwebend zwischen die Farbparzellen. Diggelmann hält sich auf einer Schwelle, da Erfahrung der Aussenwelt ins Innerseelische hineingenommen wird. Wiederholt ist diese Schwelle auch überschritten: „Tempel II“ zeigt in der oberen Zone ein schwarzes gelagertes Rechteck, darunter im Feld von Maron, etwas aus der Mittelachse gerückt, ein schmales, gerecktes Rechteck in Blau mit leicht schraffiertem Umfeld. Hier steht der Betrachter einem rein geistigen Raum gegenüber. Diggelmann gibt dem Geist durch Farbe und Form Körper, sinnliche Erfahrbarkeit.